Was der Verwalter nicht alles wissen soll
Das OLG Wien hatte sich jüngst mit sich die Frage zu beschäftigen, welche Kenntnisse Hausverwaltungen hinsichtlich Mietzinsbildungsvorschriften im Zusammenhang mit förderungsrechtlichen Bestimmungen zuzusinnen sind. Von Dr. Andreas Berger, MSc, L.L.M.
Der Entscheidung (33 R 72/23k) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte war Verwalterin eines nach dem II. Hauptstück des WWFSG (Förderung der Wohnhaussanierung) geförderten Zinshauses. Im Zuge der Sanierungsmaßnahmen wurden im Dachgeschoss vier Wohnungen samt Terrassen neu errichtet. Die Beklagte schloss im Laufe des Jahres 2008 für den klagenden Alleineigentümer Mietverträge hinsichtlich dieser Wohnungen ab, wobei sie fälschlicherweise die Mietzinsbildungsvorschriften des § 64 Abs 2 WWFSG zur Anwendung brachte, obwohl nach der damals in Geltung stehenden Fassung dieser Bestimmung diese auf die gegenständlichen Wohnungen nicht anwendbar war und die Vereinbarung eines (wesentlich höheren) freien Mietzinses zulässig gewesen wäre.
Diese Rechtslage ergibt sich letztlich aus einer Entscheidung des OGH, mit der dieser die gegenteilige Rechtsmeinung verworfen und festgestellt hat, dass es in solchen Konstellationen bei der Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des MRG (hier des freien Mietzinses gem. § 1 Abs 4 Z 2) zu verbleiben hat (5 Ob 79/07i). Erwähnenswert ist dabei, dass sich diese Sichtweise eigentlich schon aus einer nackten Wortinterpretation der relevanten förderungsrechtlichen Bestimmungen ergibt und der OGH „nur“ das Vorliegen einer – durchaus in der Luft liegenden und schlüssig argumentierbaren – planwidrigen, durch Analogie zu schließenden Rechtslücke verneint hat.
Verfahrensgegenständlich war insbesondere die Frage, ob die beklagte Verwalterin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietverträge von dieser Entscheidung Kenntnis haben musste: Sie wurde zunächst (Ende 2007) „nur“ in den – mittlerweile nicht mehr publizierten - „Wohnrechtlichen Entscheidungen“ (kurz: „EWr“) veröffentlicht, erst später fand sie Niederschlag auch in anderen facheinschlägigen Publikationen (Richterzeitung, Jahrbuch Wohnrecht, MietSlg), allerdings zum Teil erst zu einem nach Abschluss der Mietverträge liegenden Zeitpunkt. Der OGH trat dem Standpunkt des Beklagten, die EWr seinen nicht Teil der „einschlägigen miet- und wohnrechtlichen Literatur“, deren Kenntnis von einer sorgfältigen Hausverwaltung zu erwarten sei, entgegen: Diese gehöre zur verbindlichen Lektüre von Hausverwaltern, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Sammlung von der Berufsvertretung (konkret dem ÖVI) speziell für die Angehörigen der Berufsgruppe bereitgestellt wurde. Die Nichtkenntnis der OGH-Entscheidung war der Beklagten somit aufgrund ihrer Sachverständigen-Eigenschaft (§ 1299 ABGB) als fahrlässig vorzuwerfen, was einen Schadenersatzanspruch des klagenden Vermieters im Ausmaß der Differenz zwischen erzielbarem freien Mietzins und der wesentlich geringeren Deckungsmiete gem. § 64 Abs 2 WWFSG begründet.
Diese Entscheidung unterstreicht einmal mehr die Bedeutung förderungsrechtlicher Mietzinsbildungsvorschriften bei der Gestaltung von Mietverträgen, immerhin geht es dabei um die Ausgestaltung einer Hauptleistungspflicht (so etwa OGH 5 Ob 89/23h zu einer Mietvertragsklausel, mit der die Mietzinshöhe nach Ablauf der Förderdauer festgelegt werden sollte – Sammer ÖVI news 03/2023). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Textierung der Immobilienverwalter-Prüfungsordnung, die für die Definition des Leistungsstandards des Immobilienverwalters von Relevanz ist. Demnach sind ALLGEMEINE (und nicht etwa „besondere“) Kenntnisse der relevanten Rechtsmaterien (wie Wohnrecht und Wohnbauförderungsrecht) gefordert. Bei komplexen Rechtsfragen, wie sie eben im Zusammenhang mit förderungsrechtlichen Mietzinsbildungsvorschriften auftreten können, wird daher aus Verwalter-Perspektive die Beiziehung von rechtskundigen Spezialisten angezeigt sein, um sich keinen unnötigen Haftungsrisiken auszusetzen. In diesem Sinne sollte auch die weitere Bestimmung der Prüfungsordnung, wonach Gegenstand der schriftlichen Prüfung u.a. die „Formulierung von Vertragsbestandteilen“ ist, relativierend zu verstehen sein. Immerhin ist gem. § 117 Abs 6 Gewerbeordnung die Vertragserrichtung durch einem Immobilientreuhänder auch nur dann zulässig, wenn diese im Ausfüllen formularmäßig gestalteter Verträge besteht.
Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
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